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Sarathustra und seine Lehre
A. Madjderey


Nietzsche und Sarathustra - ein Missverständnis?

Friedrich Nietzsche (1844 - 1900), der große Philosoph des deutschsprachigen Europa und einer der größten Philosophen der Welt überhaupt, hat mit seinem Buch „Also sprach Zarathustra“, den Namen des iranischen Denkers und Philosophen, der auch als Prophet bekannt ist, verewigt und bis heute lebendig gehalten.
In Nietzsches Werk „Also sprach Zarathustra“ gibt es hin und wieder Ansätze sarathustrischer Gedanken, die durch Nietzsches Feder ins Romanhafte und Erzählerische verleitet werden, und mehr und mehr zu Nietzsches Gedanken und tiefsten philosophischen Überzeugungen werden. Oberflächlich gesehen könnte vieles, was Nietzsche Sarathustra in den Mund legt, eventuell auch von Sarathustra stammen, aber es ist nicht so. Sarathustra war nicht elitär, war kein Eigenbrötler, kein passiver Melancholiker, kein resignierter, schwacher Besserwisser, der sich über die hohen Berge in die Nähe von Gott und Gottes Wohnung in den Himmel zurückgezogen hat, um sich selbst als „Privatgenie“ narzisstisch zu bewundern. Für Sarathustra wohnte Gott auch in der Stadt und in der Welt. Deshalb war Sarathustra, immer wenn er wollte, mit Gott zusammen, wie alle anderen Menschen auch.
Sarathustras Temperament und Meinung waren anders: Er befand sich inmitten einer Welt voll Lug und Trug, voll Verlogenheit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung, sowohl politisch als auch religiös.

Religionsgeschichtliches

Die sarathustrische Lehre, Religion ist aus der Mitte der arischen Völker entstanden. Bei den Ariern handelte es sich um Menschengruppen, die aus der Gegend von Nord-Iran-Südrussland nach Südosten (Indien) und nach Westen (Europa) wanderten.
Die meisten Altertumsforscher halten den Nordosten Irans für die ursprüngliche Heimat der Arier. Die Arierwanderung soll nach Meinung der Asienkenner und Altertumsforscher etwa 4000 v. Chr. stattgefunden haben. Dort, wo die Arier sich niederließen, akzeptierten sie auch schnell die Kulturen ihrer jeweiligen neuen Heimat. Aufgrund dieser arischen Wanderung und Vermischung der ursprünglichen Arier mit den Menschen aus den neuen Ländern, die sie endgültig bewohnten, gab es schon damals keine sogenannten „reinrassigen Arier“ mehr. Wer heute von Menschen arischer Rasse spricht, kann nur von einer bestimmten Menschenrasse reden, die in einer Zeit von 3500 Jahren v. Chr. gelebt hat. Die Arier, die die iranische Ebene als Heimat gewählt hatten, nannten ihre neue Heimat IRAN, was „Land der Arier“ bedeutet.
Bevor Sarathustra mit seiner Lehre bei den iranischen Ariern auftauchte, herrschten dort vorwiegend Naturreligionen, die aus der Angst und dem Respekt vor unberechenbaren Naturkräften entstanden waren. Einer dieser sehr weit entwickelten iranischen vorsarathustrischen Religionen war der „Mithraismus“, den man auch „Sonnengott-Religion“ nennt. Wir wissen mit Sicherheit, dass alle blutigen Opferrituale aus diesen Naturreligionen hervorgegangen sind. Der „Mithraismus“ spielte lange Zeit in der Entstehung eines Teils der iranischen Kultur eine wichtige Rolle. Die „Göttinnenkultur“ und das „Matriarchat“ sind zwei Beispiele dieser, für die iranische Kultur sehr bedeutenden, weltbewegenden Phänomene.

Sarathustra - Vita

In der iranischen Gesellschaft vor viertausend Jahren spielten die domestizierten und landwirtschaftlich nützlichen Tiere eine enorm wichtige Rolle. Die Nähe von Mensch und Tier war intensiver als man sich heute vorstellen kann. Für den Bauern galten die Nutztiere als wertvolle Mitarbeiter, und diese Vorstellung war und ist auch heute realistisch und gerecht. Viele Menschen wurden deshalb nach diesen Tieren genannt. In Deutschland sind auch Namen wie Hirsch, Hase, Hahn, Hund, Katz, Rind usw. als Zeugen dieser Mensch-Tierbeziehung zu erkennen.
Der Name Sartoscht (Sarathustra) ist auch ähnlich entstanden und bedeutet: „Besitzer des goldfarbenen Kamels.“ Eine andere Bedeutung, die auch öfter vorkommt ist: „Einer, der ein leuchtendes Gesicht hat“. Natürlich gibt es unzählige weitere Vorschläge und Behauptungen. Mir erscheint jedoch die erwähnte Variante am naheliegendsten.
Sartoscht wurde am 6. Farwardin (26. März) vor 3769 geboren. Wenn man alle internationalen wissenschaftlichen Meinungen in Betracht zieht, kann man davon ausgehen, dass Sartoscht zwischen 1700 - 1400 v. Chr. geboren wurde, vor 3700 - 3400 Jahren.
Seine Mutter hieß „Doghdu“, sein Vater „Purschasp“. Die Familie trug den Familiennamen „Spantman“ und lebte in der Nähe eines Flusses im Bundesland Khorassan im Nordosten Irans, wo auch die Geburtsstätte Sartoschts war. Sartoscht wuchs wie jedes andere Kind suchend und fragend auf. Er fragte mit Nachdruck und fragte immer wieder nach dem Sinn der vielen Götter und Gottheiten, nach deren vielen angeblichen Wundertaten, die man ihnen andichtete. Er suchte nach einleuchtenden Antworten. Er versuchte die sagenumwobenen Geheimnisse und Rätsel der blutigen Opferrituale der Priester zu enträtseln. Er versuchte die Ursachen des Herrschaftsanspruchs der gewalttätigen Machthaber zu erklären und einen Ausweg für die Entrechteten und Unterdrückten zu finden. Als er keine vernünftigen Antworten bekam und er immer wieder darauf beharrte, wiesen ihn schließlich die religiösen Würdenträger und die Machthaber des Landes von sich.
Inzwischen war er zu einem jungen Mann herangewachsen. Da er von den genannten Machthabern enttäuscht war, kehrte er in sich, beobachtete die Welt und das All, deren Lauf und Drehung. Er forschte und verglich, er redete und unterhielt sich mit den Menschen, er lernte von ihnen viel. Er lernte den Gesang und die Dichtkunst. Im Laufe seiner schöpferischen und fruchtbaren Suche kam er von der Ordnung der Welt zu der Weltordnung (Ascha) des Schöpfers. Von der Selbsterkenntnis und der Welterkenntnis zur Gotteserkenntnis. Diese schöpferische Erkenntnis und Einsicht zu Gott führte ihn dazu, den Gott als Mazda (allwissend) zu empfinden und auch zu benennen. Er sah in Gott den Schöpfer, den Allwissenden, den Allmächtigen; daher gründete er seine Botschaft und Lehre auf drei Fundamente: „weises Denken“, „weises Reden“ und „weises Wirken“.
Ich sehe Sarathustra a priori als einen Menschen wie alle anderen Menschen auch. Er wird sich so wie andere Menschen entwickeln und aus humanistischer Sicht höhere Stufen des Menschseins erreichen: Sarathustra ist ein gläubiger Mensch, der an einen einzigen Gott glaubt, an Ahura-Mazda. Dieser Gott, Ahura-Mazda, hat besondere Eigenschaften, die ihn von anderen Göttern in vielen Religionen unterscheiden. Sarathustras Gott kennt keinen „Zorn“. Ahura-Mazda ist das Symbol der Reinheit und der sich vermehrenden Güte. Sarathustra kann sich von diesem Gott Glück und Fröhlichkeit wünschen und ihn dabei anbeten. Sarathustra will, dass seine Taten rein und wahrhaftig sind. Um dies zu erreichen, muss er Weisheit und gute Gedanken sammeln. Hiermit will er die Seele des Seins erfreuen. Es ist etwas Selbstverständliches, dass Menschen von Gott Glück und Fröhlichkeit erwarten.

Die Gatha

Die „Gatha“ sind die ältesten Lieder und Gedichte, die in altiranischer Sprache geschrieben sind. Sie enthalten die Gedanken Sarathustras, den sarathustrischen Lebensweg und seine Lebensphilosophie. Der Autor dieser lyrischen und harmonischen Lieder ist der weltbekannte iranische Prophet, Sozialreformer und Philosoph Sarathustra.
Früher dachten die Altertumsforscher und Iranisten, dass die „Gatha“ der erste Teil Avestas (Heiliges Buch der Sarathustrier) darstellen. Die restlichen Teile des Avestas sollen Schriften wie „Yaschta“, „Vandidad“ und „Vispard“ sein. Man kann getrost davon ausgehen, dass die „Gatha“ allein das eigentliche Heilige Buch der Sarathustrier sind und hier gesichert ist, dass alle Lieder von ihm selbst stammen.
Die anderen oben genannten Bücher stammen entweder aus vorsarathustrischer oder nachsarathustrischer Zeit.
Die Sprache der „Gatha“ zeigt klar und deutlich, dass sie mindestens mehrere hundert Jahre älter ist als die übrigen oben genannten Schriften. Man geht heute davon aus, dass alle sarathustrischen Schriften außer den „Gatha“ nicht von Sarathustra selbst stammen, sondern später durch sarathustrische Geistliche niedergeschrieben wurden und dazugekommen sind. Das Anliegen Sarathustras ist klar, knapp und ehrlich in den „Gatha“ veröffentlicht und steht manchmal sogar im Widerspruch zu späteren Schriften wie z. B. Vandidad. Sarathustra ist ein psychologisch versierter Sozialreformer, ein begeisterter Kämpfer gegen Gewalt und Unrecht, ein militanter Liberaler und kein selbstgerechter gewöhnlicher fundamentalistischer Vollheiliger mit größerer Ähnlichkeit zu irgendwelchen Göttern als zu den Menschen. Sarathustra ist ein reformistischer Mensch ohne Gesetzbuch in der Hand, während er in der anderen Hand ein scharfes Schwert trägt. Sarathustra ist kein Gesetzgeber. Er sagt, die Menschen sollen selbst ihre Gesetze machen, aber auf dem Grund der Wahrhaftigkeit, des Verstandes und des Fortschrittswillens. Alles andere, was nach Ritualen oder Gesetzen aussieht, ist später dazugekommen, ohne dass Sarathustra selbst etwas davon wusste.

Sarathustra - Ökologie

Die sarathustrische Religion ist die einzige Religion und Lebensphilosophie der Welt, die seit etwa 4000 Jahren die ökologische Sichtweise der Welt und des Lebens ausdrücklich betont hat und diese, angeblich sehr moderne und neue Lebensphilosophie auch vehement gefördert und verteidigt hat. Sie verpflichtet jeden Sarathustrier, für den Erhalt der Welt und der Lebenselemente zu sorgen, und diese Elemente, Wasser, Grund und Boden, die Luft und das Feuer rein zu halten bzw. die Verunreinigung dieser Elemente tunlichst zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass andere dies auch tun. Ahura-Mazda erwartet von den Menschen, die ihn wahrgenommen haben, dass sie seinem elementaren Anliegen entsprechen und seine gute Schöpfung fördern, wodurch endlich die Wende eintreten wird und Ahura-Mazda, das Gute, siegreich wird.
Neben der Tatsache, dass der Sarathustrier das Wasser, die Erde, die Luft und das Feuer vor Verunreinigungen schützt, muss er die Nutzpflanzen kultivieren und die Nutztiere hegen. Diese Taten stärken die göttlichen Kräfte. Wie wir uns heute wieder daran erinnern, bedeutet die Reinhaltung der Erde eben auch die Reduzierung und Minimalisierung von Abfallprodukten und die Reinhaltung des Feuers, so dass dessen Industrialisierung und der industrielle Missbrauch durch die Verbrennung chemischer und giftiger Stoffe abgelehnt werden muss.
Die Nutztiere gehören einzig und allein in die Hände ihrer Besitzer, nämlich der Bauern. Rinder und Schafe sind beim Bauern wesentlich nützlicher als für Ahura-Mazda geopfert, getötet zu werden. All die Verordnungen, die den reformatorischen Gedanken Sarathustras entsprangen, bedeuten radikale Veränderungen, die von ihm tapfer veröffentlicht wurden. Durch das Motivationstraining Sarathustras waren die Iraner in der Lage, neue Bewässerungstechniken in einem Land zu entwickeln, die bis heute noch die Fachleute begeistern. Regen und Flüsse sind in einem weiten Land wie dem damaligen Iran nicht gleichmäßig verteilt gewesen, wie übrigens heute noch. Auch die Domestizierung und Züchtung der Tiere hat dazu geführt, dass im Iran erstmalig in der Welt die größte Pferdezuchtindustrie boomte und die attraktivsten Pferde, Vollblütler, fein gebaut und flink, weltbekannt waren.

Die Stellung der Frau in der sarathustrischen Lehre

Frauen haben in der sarathustrischen Lehre den hohen Rang, den sie auch verdienen. In dieser Lehre war diese Einstellung nie anders.
Die Frauen bewegten sich vollkommen frei, auch in dem Sinne, dass sie sich in der Gesellschaft nicht verhüllen mussten. Sie waren den Männern gleichgestellt, genauso in der Lage, Grund und Boden zu besitzen, einem Beruf nachzugehen und eine Karriere zu verfolgen wie die Männer auch. Sie konnten ihre Ehemänner auch juristisch-rechtlich vertreten.
Diese Tatsache der Gleichberechtigung war für die damalige Zeit eine außerordentlich ungewöhnliche Situation. In den restlichen Teilen der Welt galten Frauen als Sklavinnen, sie hatten buchstäblich nichts zu melden. Es gab kein anderes Land in der Welt, in dem Frauen in jeder Hinsicht eine so hohe und gleichberechtigte Stellung besaßen wie im sarathustrischen Iran. Der große griechische Historiker und Märchenerzähler Herodot erwähnt total verdutzt: „Die Perser halten die gewaltsame Entführung einer Frau für eine Handlung böser Menschen“.

Was also sprach Sarathustra wahrlich?

- Der Mensch ist frei geboren und ist frei

- Der Mensch ist frei und kann seinen Lebensweg selbst wählen

- Wahrhaftigkeit ist der einzige Weg zum ewigen Glück
- Gute Taten sind sarathustrische Gebete

- Vernunft und Weisheit ist der Schlüssel für Wahrhaftigkeit und
Wirklichkeit

- Der Mensch hat sein Schicksal in eigener Hand

- Ein Schicksal, das fern- und fremdbestimmt ist, gibt es nicht

- Die Gedanken und Gefühle der Menschen sind es, die ihnen
Himmel und Hölle bescheren

- Ein ruhiges Gewissen ist das beste himmlische Geschenk, und
ein düsteres, unruhiges Innenleben ist die höllische Strafe

- Nichts hat Ahura-Mazda geschaffen, womit man Verschwendung
betreiben könnte

- Der Mensch ist in der Lage selbständig mit Hilfe seines Verstandes
sich für „Gut“ oder „Böse“ zu entscheiden

- Gute Gedanken bedeuten Gedanken, die den Menschen selbst und
anderen Menschen und der Welt Nützliches bringen

- Ahura-Mazda ist unbestechlich, verlangt keine Gebete, Geschenke
und auch keine Opferbringungen

- Ein Sünder ist einer, der lügt, schädliche Gedanken hat und Vernich-
tungen verursacht

- „Gut“ und „Böse“ existieren primär im menschlichen Denken, also
sind sie Funktionen des Denkens

- Jeder Mensch sollte sich bemühen, seine Feinde zu seinen Freunden
zu machen

- Ahura-Mazda ist das Symbol der Güte, Reinheit und grenzenloser
Allmacht

- Die von Ahura-Mazda geschaffene Welt hat eine Seele und einen
mehrenden Leib
- Ahura-Mazda hat keine eigenartigen, menschenfremden Eigenschaften

- Die Welt muss geschützt, gehegt und gepflegt werden

- Um die lebendige Welt lebendig zu halten, bedarf es der Mühe und des
fleißigen Arbeitens

-- Die Verbesserung der Welt ist eine Notwendigkeit für mich

- Gute Gedanken sind Grundvoraussetzung für die Schaffung der Kultur

- Weisheit und Wahrhaftigkeit liegen nahe beieinander

- Wahrhaftigkeit schützt die Welt. Es gibt das „Unbewusste“ und das
„Unterbewußtsein“, wenn man dies nicht in Betracht zieht, wird die
Seele protestieren und krankhafte Symptome zeigen

- Die Verlogenen sind kulturlose Banausen

- Das Lügen ist vermeidbar

- Glücklich kann sich ein Mensch nennen, der den anderen Glück bringt

- Ein langes, freudiges Leben haben zu wollen, ist ein legaler Wunsch

- Die grünen Weiden dürfen nicht zerstört werden, wodurch auch immer
Nomadentum und Kriegsführung sind zwei Gründe

- Mann und Frau sind in jeder Hinsicht voll gleichberechtigt




Literatur:
Auszüge aus dem Buch „Was also sprach Sarathustra wahrlich“ von A. Madjderey
ISBN-Nr. 3-925819-14-2
Eine Veröffentlichung des Vereins „SARTOSCHT“ Iranisch-Deutscher Kulturverein e. V., 2001

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